„dialogues with a rose“ bringt Tabu-Themen wie Menstruation auf die klassische Konzertbühne.
D i e W a s s e r r o s e
Kennst du die Blume, die märchenhafte,
sagengefeierte Wasserrose?
–
Wasserrose, so nenn‘ ich die schlanke
nachtlock‘ge Maid, alabastern von Wangen,
in dem Auge der ahnende tiefe Gedanke,
als sei sie ein Geist und auf Erden gefangen.
Wenn sie spricht, ist‘s wie silbernes Wogenrauschen,
wenn sie schweigt, ist‘s die ahnende Stille der Mondnacht;
–
(Felix Dahn)
D I E I D E E :
„Be a lady they said“, ein Gedicht von Camille Rainville, ging viral und initiierte in bildender Kunst, Literatur und den Medien einen Dialog zwischen Stolz und Scham: „Frau sein“. Und in der klassischen Musik? Die „Mädchenblume“ ist ein „der Rose gleiches“, märchenhaft schönes Mädchen. Doch in fast all diesen Texten geht auch ein erwünschtes Benehmen mit der Schönheit einher. Sie ist schweigsam, ruhig, geduldig, tugendhaft, sich ihrer Schönheit nicht bewusst. Verlässt sie dieses Muster, verblüht sie unberührt oder wird rüde „gepflückt“. Und das, obwohl „I‘ve my flower“ einer von 5000 Euphemismen für Menstruation ist. Doch die heilige Menstruation „Tapua“ wird Tabu. Die Sopranistin Mara Maria Möritz beginnt mit einem Streichquartett ein Gespräch über Menarche, Schamgefühl, die übergriffige Gesellschaft, feministischen Aktivismus und mystische Selbsterfahrung. In einem innovativen Konzertformat wird Kunstlied zur Botschafterin einer neuer Frauenfigur und schafft Raum für Tabuthemen rund um das Frausein.
D A S K O N Z E R T :
Das Konzert ist in vier Teilen gegliedert, die durch verschiedene Positionen bzw. Haltungen der Musiker, sowie durch den aufwendigen Einsatz des Kostüms der Sängerin erkennbar sind. Das Publikum betritt eine Tamponwunderwelt. Der Raum wird 30 Minuten lang in einer Klang- und Rauminstallation zum Märchenland. Alles ist weiß, rein und augenscheinlich menstruationsfrei. Sonnlicht glitzert in weißem Tüllstoff und aus jeder Ecke des Raumes dringen Fetzen von Tamponwerbung. Das Saallicht geht aus und das eigentliche Konzert beginnt.
Erblüht
Die Sängerin tritt im weißen, pompösen Konzertkleid auf. Sie ist das Sinnbild der Mädchenblume: wunderschön, unschuldig, still. Sie singt von schweigsamen Blumen und trotzdem spricht sie über ihre Menarche. Der Chor der Menstruation entsteht aber nicht nur durch die Stimmen der fünf Musikerinnen auf der Bühne. In Video- und Tonmaterial entsteht der Chor rund um das Publikum. Außerdem klären wir über Menstruation auf: Wir sprechen von liebevollen Eltern, Menstruationsbeschwerden und den großen Lügen unserer Gesellschaft. Der Sängerin wird am Ende das glitzernde Cape abgenommen und sie zeigt das erste Blühen.
Bedecke D/Mich!
Es geht um Scham. Die Musikerinnen und das Publikum werden von Scham überspült. Mara Maria singt von Schönheit, aber auch von Zurückgezogenheit. Sie versucht, sich selbst zu bedecken, zu verstecken. Immer wieder erklingen Improvisationen über das Heidenröslein, Sätze von Gewalt und Schmerz getränkt von einem tiefen Schamgefühl für alles, was „da unten“ ist. Eine Frau, die ihre Menstruation selbst als etwas Schmutziges, Unreines wahrnimmt, etwas, worüber nicht gesprochen wird. Dieser „traurige Monolog einer Vagina“ entspringt unter anderem den „Vaginamonologen“ von Eve Ensler. Das Quartett trennt sich, dreht sich weg von der Sängerin. Am Ende wird der Sängerin von den Musikern ein weiteres Stück des Kleides auszogen: sie und ihr Bluten werden bloßgestellt. Wir stellen das schamgebeugte Opfer und die übergriffige Gesellschaft dar und stellen fest, dass das oft die gleiche Person ist.
Verblüht?
Das „verblühte“ Matriarchat und dessen Frauen bekommen die Gelegenheit, zurück zu blicken. Manches vermissen sie, mancher Verlust bringt Erleichterung, manche Geschichten, die nie erzählt werden konnten, kann die Frau nun mit anderen teilen. Dieser Teil wirkt mystisch. Die Menstruation ist kulturgeschichtlich der Beginn des Lebens, eine Quelle der Magie und des Verstandes. Das Quartett kommt nun näher, sie nehmen am Dialog teil und helfen der Sängerin, den letzten Teil des Kleides abzustreifen. Darunter wird ein rotes Kostüm sichtbar.
Yes we bleed
Die Sängerin zeigt jetzt rot, zeigt ihr Blut, zeigt ihr Frau sein. Spricht selbst für sich und über sich. Die Gruppe der Musikerinnen wird enger, solidarisch. Immer wieder taucht im Soundscape Empowerment unserer Interviews auf. „Was wir unseren Töchtern sagen sollen? Vielleicht sollte man ihnen sagen, dass sie eine Vagina haben!“
T E X T E :
Gefüllt wird dieser Dialog mit Texten aus der Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“, dem Theaterstück „Vagina Monologue“ sowie aus Interviews mit über 50 Frauen. Aus zahlreichen Quellen hat Alexandra Vildosola Texte für alle fünf Musikerinnen auf der Bühne geschrieben, sowie in verschiedenen Soundscapes nicht nur Hintergrundwissen über die Menstruation, sondern sehr private Geschichten verwendet.
M U S I K :
Die Sopranistin lässt den Eindruck eines Liederabends entstehen. So erklingen nicht nur Strauss‘ Mädchenblumen, sondern auch Werke von Schubert, Clara Schumann und Poulenc. Das Thema ist immer das blumengleiche Mädchen. Arrangiert sind diese Stücke für Streichquartett und Sopran. Bereichert wird das Programm durch neue Kompositionen von Magdiel Baptistin Vaillant und Kiara Konstantinou, die mit dem klassischen Lied brechen, es weiter entwickeln und so eine Spielfläche für den Dialog schaffen. In Improvisationen kombinieren die fünf Musiker*innen gesprochenen Dialog und Musik, sowie elektronische Soundscapes. Kiara Konstantinou schafft diese Soundscapes aus verschiedenen Interviews und kombiniert sie mit einer geführten Live-Improvisation, während Magdiel Baptistin Vaillant die klassischen Lieder in seinen Kompositionen aufgreift, entwickelt, mit Jazzelementen sowie Elementen der aktuellen Musik anreichert und verbindet.
D I E K O S T Ü M E :
Das gesamte Ensemble tritt komplett weiß auf, passend zu der entstehenden „Tamponwunderwelt“, die wir aus der Werbung kennen. Das Kostüm der Solistin erzählt jedoch eine Geschichte. Sie tritt in einem glitzernden Cape auf, darunter ein auffälliges, weißes Abendkleid mit Blumen besetzt, dass die Reinheit und Unschuld symbolisiert. Sie ist schön und still, wie die ersten Lieder. Im Laufe des Konzertes wird ihr das Kleid aber von ihr selbst und ihren Dialogpartnern Stück für Stück ausgezogen oder vom Leib gerissen und darunter wird nach und nach das Rot sichtbar – sie beginnt zu bluten. Designerin und Schneidermeisterin Mia Rosa entwarf ein komplexes Kostüm, dass verschiedene Röcke übereinander lagert und durchschimmern lässt. Zuletzt ist sie, genau wie ihre Menstruation, entblößt. Die Sängerin steht in Unterwäsche vor dem Publikum
E R F O L G :
„dialogue with a rose“ wurde ausgezeichnet beim D-Bü Wettbewerb 2020 für neue Konzertformate. Die Jury lobte den „Preis für Wiederaufführbarkeit“ vor allem wegen der einzigartigen und gut recherchierten Textarbeit, aber auch wegen der Flexibilität des Konzeptes aus. Prof. Christian Fischer, Präsident der Hochschule für Musik Trossingen: „Die Performance hat musikalisch und künstlerisch höchstes Niveau. Aber ich hätte nicht gedacht, wie sehr mich als Mann das Thema „Menstruation“ bewegen kann.“ „Diese Performance hat mich beschäftigt – auf dem Nachhauseweg, in der Nacht, sogar die nächsten Tage. Ich bin seit kurzem Vater einer wunderbaren Tochter und habe durch „dialogue with a rose“ bereits jetzt mit meiner Frau gesprochen, was es bedeutet, wenn unsere Tochter ihre Menarche hat“, fügte der Regisseur Ron Zimmering hinzu.
A U S B L I C K :
Was fehlt, ist der persönliche Austausch mit Menschen – sowohl mit weiteren Künstler*innen, als auch mit dem Publikum. Außerdem gibt es noch so viele weitere Tabus, dass wir „dialogue with a rose“ mitnehmen auf eine lange Reise mit viel Gesprächsstoff. Sobald es die pandemische Lage zulässt, ist sowohl die Live-Uraufführung als auch eine Konzerttournee durch Südamerika geplant.
Wir beginnen Kooperationen mit renommierten Künstler*innen wie zum Beispiel Feeministin (Felicia Brembeck, D) oder Vulveria (Dunja Kobel, CH). Denn wir möchten Stellung beziehen, nicht nur auf Social Media und in Vlogs, sondern auch in Workshops und Dialogen mit Schulklassen, speziell für FINTAS und allen Menschen, die der Meinung sind, dass Menstruationsblut, Vulven oder sexuelle Gewalt auch auf der klassischen Konzertbühne keine Tabus mehr sein dürfen.
Unser nächstes Herzensthema ist Genitalverstümmelung.
L I N K S :
Trailer und Mini-Doku: https://www.youtube.com/watch?v=esllMOU1rxE
Instagram: https://www.instagram.com/dialogue_with_a_rose/
Vulvani-Artikel: https://vulvani.com/ein-konzert-gegen-das-perioden-tabu-dialogue-with-a-ros
Alexandra Vildosola: Idee & Leitung
Mara Maria Möritz: Rose & PR
Laura Ion: Violine & Finanzen
Lilia Rubin: Bratsche & Social Media
Kiara Konstantinou:
Cello, Komposition & Web
Magdiel Baptistin Vaillant:
Arrangements, Komposition & Akquise